Bator, Joanna by Sandberg

Bator, Joanna by Sandberg

Autor:Sandberg [Sandberg]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2011-03-31T17:08:34.925000+00:00


***

Stefan beteiligte sich nicht an den Streitereien von Mutter und Tochter. Er huschte zwischen den beiden hindurch, spielte eine Schleichpantomime mit gekrümmten Schultern und eingezogenem Kopf, den Zeigefinger an die Lippen gelegt. Er machte es sich in seinem Nest vor dem Fernseher bequem, zog die Vorhänge vor, rückte die Antenne hin und her, denn das Bild war wieder hinüber, und gleich kamen die Lottozahlen. Sonntags sah er aus verschwiemelten Augen und in Bierdunst gehüllt die nachmittägliche Natursendung. An sonnigen Tagen lag das Esszimmer der Chmuras hinter den zugezogenen Vorhängen in einem ungesunden Licht, das trübe war wie schmutziges Wasser. Stefan langte nach der Flasche hinter dem Sofa, nahm den ersten Ertrinkensschluck, versteckte sie nach jedem Schluck wieder vor seinem Durst hinter dem Sofa, ein Kampf, den er unentwegt wieder aufs neue verlor. Auf dem Bildschirm verspritzten Taranteln ihr Gift, Schildkröten legten Eier auf fernen Stränden, und Stefan erinnerte sich an die Zeiten, als es in ihm kribbelte, an die erste und letzte Bierkneipe, an der er teilgenommen hatte, als Genosse Gierek regierte, und der, hoho, der konnte regieren, damals gab es alles. Ein Bergmann, der galt etwas. Als Ingenieur Waciak bei der Kneipe im Bergmannshelm Geld für eine Ferienkolonie sammelte, in der arme Kinder sich vom Walbrzycher Gestank erholen und saubere Luft mit Jod einatmen sollten, gab Stefan, was er im Portemonnaie hatte, nicht einmal mehr den Fahrschein konnte er bezahlen. Denkt nicht, dass wir einen prellen wollen, verdammt noch mal, wollt ihr helfen? Verdammt noch mal, ja, wir wollen helfen! Wie konnte man nichts geben? Die Schönheit des Augenblicks wurde ihm von Waciak für alle Ewigkeit in die Schultern eingeklopft, wie einen der Seinen, wie seinesgleichen hatte er ihn geklopft, doch heute, wo er sich was in Szczawno Zdröj gebaut hat, erwiderte er nicht mal seinen Gruß, tat so, als sehe er ihn nicht. Auf dem schneegestöbernden Bildschirm schlüpften aus den Schildkröteneiern winzige Schildkröten mit weichen Panzern und eilten zum Meer, versuchten, es zu erreichen, bevor sie aufgefressen wurden, und Stefan trank den letzten Schluck aus der Flasche. Bevor er mit dem Gesicht im Aschenbecher einschlief, rief er manchmal Jadzia oder Dominika, komm, guck mal, was dieses Reptil für einen Kopf hat, doch weder Frau noch Tochter teilten sein Interesse an exotischen Spinnen und Reptilien.

Jadzia war es, die dafür sorgte, dass sich die Gepflogenheiten ihres Mannes änderten und er nicht mehr draußen trank, sondern sich mit seinem Laster dort verkroch, wo er keine Schande machte. Besser hielt man die Schande im eigenen Heim, warum sie unter die Leute tragen? Wenn du schon nicht anders kannst, dann betrink dich ordentlich zu Hause, anstatt draußen für jedermann sichtbar zu stehen und unter einen Baum zu pissen, belehrte ihn seine Frau. Je mehr er verkümmerte und verblasste, desto größer und bestimmter wurde sie. Stefan, aus der Rolle des Ernährer-Vaters, der der Familie Stolz und Nahrung bringt, verdrängt, stand jetzt auf einem Nebengleis ihres Lebens, und seine Frau übernahm das Ruder. Jadzias stachelbeergrüne Augen verloren ihre Weichheit, sie saßen in ihrem Gesicht wie zwei Glaskugeln, die sich unabhängig voneinander hin- und herdrehten und denen nichts entging.



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